Dienstag, 13. Juni 2006
Die Oma kam pünktlich zum Babysitten, somit stand unserem persönlichen WM-Ereignis nichts mehr im Wege.
Wir waren noch am Überlegen welchen Weg wir nach Frankfurt zum Stadion wählen sollten, denn für nachmittags waren in Darmstadt mal wieder Studenten-Demos zur Studiengebühr angemeldet und wir wollten ja nicht unbedingt mittenrein geraten.
Da es aber dennoch der einfachste Weg war, haben wir uns doch für den Zug über Darmstadt Hbf entschieden und unser Auto kostenlos im Büroparkhaus abgestellt.
Auf dem kurzen Stück zu Fuss sind uns bis zu den Gleisen auch schon einige offensichtliche Fussballfans begegnet und unsere Vorfreude wuchs weiter an.
Nach den 15 heissen Minuten im total überfüllten Zug brauchte ich erstmal was zum Trinken, denn ich wollte bei den Temperaturen meinen Hauptdurst angesichts der Preise nicht unbedingt im Stadion löschen. Mein Grosser führte mich quer durch den Frankfurter Hauptbahnhof zielstrebig zu einer Kneipe, in denen er schon so manches Freuden- und auch Frustbierchen nach Eintracht-Spielen gekippt hatte.
Aber: Geschlossen.
Und nach dem Blick auf den handgeschriebenen Zettel an der Eingangstür:
WM-Bier 0,3 l 4,00 Euro,
waren wir auch nicht böse und sind eine Etage tiefer, wo wir dann ein kühles Bierchen, bzw. Radler mit 0,5 l für 3,60 € geniessen durften. Was 200 m Luftlinie preislich ausmachen können ;-)
Wieder zurück auf den Bahnhofsvorplatz bekamen wir dann einen ersten Eindruck von dem was uns am Nachmittag erwarten würde.
Dominierende Farbe: Rot
Quasi eine Invasion von Südkoreanern. Und zwischenrein Fans aus allen Herren Ländern. Die Stimmung sehr gut und ansteckend. Und mich hat das WM-Fieber gepackt und wollte nur noch Richtung Stadion.
Die Straßenbahn stand auch schon parat und auf die nächste zu warten wäre unsinnig, die wäre nicht leerer gewesen. Somit haben wir uns also in den Blechkasten reingezwängt und uns sicheren Stand verschafft, ebenso guten Halt.
Hier in der Bahn bekamen wir dann die ersten Togoer zu Gesicht. (ich gebs zu, ich musste nach der korrekten Bezeichnung der Einwohner von Togo nachschauen ;-) )
Und direkt bei uns stand bzw. saß eine 4 köpfige sehr sympathische Familie aus Hamburg mit der wir sehr schnell ins Gespräch kamen. Die Eltern Deutsche, mit 2 Adoptivkindern - ich schätze die beiden mal auf 4-8, die in Südkorea geboren wurden. Und wie soll es anders sein? Sie sind Fans von Südkorea. Bewaffnet mit T-Shirts, Mützen, Schals und Fahnen. Und der kleine Bub hatte natürlich ein Käppi vom HSV ;-)
Den Zuschlag für das Spiel haben sie erst Samstag davor erhalten und sind seit morgens um 8 Uhr von Hamburg unterwegs gewesen. Hotelzimmer gabs keines mehr, also nach dem Spiel abends um 20 uhr wieder zurück nach Hamburg. Respekt!! Aber bei der Hitze mit 2 Kids schon eine Tortur.
Die 4 haben sich uns angeschlossen, da sie relativ nahe uns Karten hatten. Und somit gings zu sechst durch den Haupteingang immer näher zum Stadion.
Dieser Mann mit der Klampfe hat schon vor dem Stadion für mächtig Stimmung gesorgt, und ist während des Spieles musizierend durch die Reihen gelaufen. Im VIP-Bereich wurde er kurzerhand freundlich rausbegleitet. :-) Und so stand ich also zum ersten Mal vor dem
Waldstadion,
Commerzbankarena, ähm FIFA-WM-Stadion Frankfurt.
Foto entfernt
Und ich war tief beeindruckt was mich im Inneren erwartete. Ein wirklich tolles Stadion ist da entstanden.
Dass das Dach geschlossen sein wird, haben wir schon gewusst. Zum einen weil für die Fernsehübertragung keine störenden Schatten auf dem Rasen durch den Videowürfel und das Traggeflecht entstehen und zum anderen versprach man sich kühlere Temperaturen. Und der Unterschied zu "draussen" war deutlich spürbar!
Dominierend auch hier die Farbe Rot.
Vereinzelt waren Grüppchen mit Togoern zu sehen.
Und ich schätze es liegt an der Kartenverteilung, dass wir in einem rein europäischen Block saßen. Vor uns Niederländer, hinter uns Schweizer, Italiener, jede Menge Engländer und viele Deutsche.
Und ich müsste mich schwer täuschen wenn unser
Maik ziemlich genau da saß wo man auf dem Foto oben den Videowürfel sieht. ;-)
Wir waren frühzeitig genug im Stadion und konnten somit beobachten wie sich die Reihen langsam füllten. Das Treiben auf der Rasenfläche und die letzten Vorbereitungen fürs Spiel.
Und somit kamen wir natürlich auch den Genuss zahlreicher Laola-Wellen.
Foto entfernt
Die Stimmung war wirklich bombastisch. Und die Lautstärke übertraf stellenweise durchaus ein Rockkonzert.
Und endlich kamen dann auch die Mannschaften von Südkorea und Togo aus den Katakomben und nahmen Aufstellung für die Nationalhymnen.
Foto entfernt
Zuerst die Hymne für die Koreaner, und über den rotgefärbten Blocks breitet sich riesengroß die Fahne aus. Das sah schon klasse aus.
Danach die Hymne für Togo und plötzlich ertönt aus den Togoreihen rechts neben uns ein lautes Gebuhe.
Nachdem auf dem Rasen ein bisschen Durcheinander zu sein scheint, denn einige Ballkinder waren auf dem Rückweg und andere wiederrum standen noch vor den Spielern aus Togo, die Musik ungewöhnlich lange dauert, haben wir uns alle angeschaut und vermutet, man habe die falsche Hymne gespielt!
Im Nachhinein hab ich darüber leider weder im Videotext noch im Internet etwas von gelesen, aber es tät mich brennend interessieren, was hier schief gelaufen ist.
Foto entfernt
Das Spiel als solches war angesichts der Eindrücke rundherum beinahe nebensächlich. Aber auch nur beinahe. Immerhin gehts hier um den Weltmeistertitel - und den hätten natürlich alle sehr gerne.
Der Favorit Togo ;-) ging in der 31. Minute in Führung und Südkorea tat sich offensichtlich schwer gegenzuhalten. Nach der gelbroten Karte für Togo nach der Halbzeitpause und dem resultierenden Platzverweis fiel das Ausgleichstor durch den anschließenden Freistoss. Das war die Kehrtwende. Togo konnte mit einem Mann weniger nicht mehr dagegen halten und kassierte in der 72. den Siegtreffer für Südkorea.
Die krassen Aussenseiter hatten den Gegner zum Wanken gebracht, aber gefallen ist er nicht.
Togo hat sich wacker geschlagen und mir tat es schon leid, dass sie verloren haben. Für die Familie aus Hamburg allerdings hab ich mich gefreut. Der Sieg der Koreaner hat ihren WM-Trip nach Frankfurt rund gemacht und die beiden Kids waren bestimmt glückselig.
Tja und somit gings dann also auch schon wieder auf die Heimreise. Immer der Menschenmenge nach in Richtung S-Bahn.
Ein Aufgebot an Polizei sorgte für die Sicherheit am Bahnhof und Bahnpersonal hatte dafür Sorge zu tragen, dass keiner drängelt und unter die Schienen gerät.
Die S-Bahn fuhr ein, ein zurück gab es nicht mehr. Selbstbestimmung vorbei. Man wurde geschoben, hinein in den Blechkasten, gepresst, gebatzt.
Ich konnte mir günstigerweise direkt am Fenster neben einer Stuhlreihe ein Plätzchen ergattern und hielt mich mit 2 Händen an der Gepäckablage ein, um mich möglichst schlank zu halten für nahe Mitleidende.
Die Türen gingen zu, die S-Bahn stand. Es wurde heiss. Es wurde sehr heiss.
5 Minuten haben wir wohl am Bahnsteig zugebracht, bis sich der Zug mal langsam in Bewegung setzte. Die nächste Station war relativ schnell erreicht. Ein paar Probleme mit neu Zugestiegenen, die auch in Kauf genommen hätten, wenn ihr Popo während der Fahrt ins Freie hängt. Diskussionen mit dem Zugführer, Rausschmiss. Endlich Weiterfahrt. Die nächste Station wäre für uns die letzte gewesen. Frankfurt Hbf.
Aber darauf sollten wir noch ein wenig warten und uns wurde noch ein kostenloser Saunagang zuteil, denn die S-Bahn blieb auf halber Strecke mitten auf den Gleisen in sengender Hitze stehen.
Gestoppte 15 Minuten in denen ich gefühlte 10 Liter Schweiss und 5 Kilo Körpergewicht verlor. Mein Kreislauf drohte sich zu verabschieden, unser Anschlusszug auch.
Somit hatten wir dann noch ein paar Minuten Aufenthalt und mein Grosser überraschte mich mit einer Italia-Kappe und einer großen kalten Coke.
Die Rückfahrt nach Darmstadt traten wir dann Schwarzfahrender Weise in einem IC an, der uns Aufpreis gekostet hätte, sofern man uns kontrolliert hätte.
Von der Demo in Darmstadt bekamen wir dann nur noch die Hinterfront eines Planwagens mit und das zugehörige Pfeifen und hatten freie Fahrt nach Hause.
Es war ein toller, abwechslungsreicher und ereignisreicher Tag. Einfach genial!!!